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#03 Mein jüngeres Ich und ich?

Aktualisiert: 21. Juli 2022





In einer Meditation bin ich meinem jüngeren Ich begegnet. Es war so unbekümmert, so fröhlich, so glücklich und so voller Liebe. Bevor all das kam, was kam. Vor all den schmerzhaften Erfahrungen, die nach und nach mein jüngeres Ich zu dem machten, was ich vor nicht allzu langer Zeit noch war.


Vor meinem Erwachen war ich abgeklärt. Ich hatte verstanden, wie das Leben für mich funktioniert und mich dem untergeordnet. Das hört sich jetzt ein bisschen schlimm an. War es auch. Auch wenn ich sagen muss, dass ich natürlich auch viel Schönes erlebt habe. Ich nicht nur Erfahrungen gemacht habe, die unschön oder schmerzvoll waren. Nur, habe ich nie wirklich den Zugang zu dem Leben gefunden.

In stillen Momenten habe ich vor mich hin gegrübelt und mich gefragt, warum ich denn bloß mein ganzes Glück – meine Kinder, meinen Mann – nicht genießen kann? Nicht wirklich genießen kann. Wenn ich um mich herum schaute, waren alle so zufrieden. Alle arbeiteten, feierten, gründeten Familien, kauften Häuser.

Keiner schien die Dinge zu hinterfragen. Alle schienen mit dem Leben, wie es war, ganz selbstverständlich einverstanden zu sein. So kam ich zu dem Ergebnis, dass mit mir etwas nicht stimmen würde. Nicht stimmen konnte! Schließlich hatte ich doch alles! Ich sollte auch zufrieden sein. So wie die anderen. Ich sollte auch glücklich sein. Ich sollte mich nicht leer fühlen. Oder wie ein ewiger Fremdkörper in dem Leben.


Gut, meine innere Leere konnte ich immer gut auf meine Erlebnisse zuhause als Kind zurück führen. Erlebnisse, die nicht schön waren. So konnte ich mir auch erklären, dass die Beziehungen in meiner Familie mehr als schlecht waren und ich mich nicht zugehörig fühlte. Andere, so überlegte ich mir, hatten eine viel bessere Beziehung zu ihrer Familie, weil sie nicht all das durchgemacht hatten. Natürlich waren sie daher auch jetzt in ihrem Leben glücklicher. Dann zuckte ich meist mit den Schultern, schellte mich undankbar für das zu sein, was ich hatte und lebte mein Leben weiter. Ich weiß noch der eine Tag, als ich hochschwanger mit meinem Sohn war und mich wie ein Wal fühlte, der irgendwie versuchte, auf dem Land vorwärts zu kommen. Dicke Füße, dicker Bauch, dicke Beine. An dem Tag war es furchtbar heiß. Draußen standen mir schon nach kurzer Zeit Schweißperlen auf der Stirn. Am liebsten wäre ich direkt wieder nach Hause gelaufen. Zurück aufs Sofa. Zurück ins kühle Wohnzimmer. Doch es half nichts. Ich musste meine Tochter von der Kita abholen. Dann, ganz unvermittelt, tauchte plötzlich meine Nachbarin vor mir auf. Sie nahm mich in den Arm und sagte zu mir, dass ich wunderschön aussehe.

Ich weiß noch, wie ich sie völlig verblüfft angeguckt habe. Gefühlt eine Ewigkeit. Ich? Schön? Wie kann man mit 25 kg mehr auf den Rippen und eine Wagenladung Wasser im Gepäck schön aussehen?

Auf diesen Satz und vor allem dieser Liebe und Fröhlichkeit, mit der dieser Satz zu mir gesagt wurde, kaute ich jahrelang rum. So etwas war mir bis dahin noch nie passiert. Ich konnte ganz ehrlich nicht verstehen, wie meine Nachbarin so herzlich sein konnte. Ich konnte nicht verstehen, wie sie mich in diesem Zustand schön finden konnte. Und, selbst wenn. Wie nur kam sie darauf, das einfach so zu mir zu sagen? Es war mir ein Rätsel! Ich wusste aber, sie meinte es ernst! Wie, fragte ich mich, konnte man überhaupt ein Menschen mit so einer positiven Energie sein? Wie ging das?

Irgendwann, nachdem mein Sohn geboren war, fing ich mit Yoga an, weil meine Rückenschmerzen einfach so stark waren. Ich fand, dass Yoga mal eine Alternative zu diesem ganzen Fitness Studio Geschwitzte war. Ich glaube Yoga fand ich auch toll, weil es so elegant aussah und ich auch so elegant aussehen wollte. Ich fing an, jeden Tag Yoga zu üben. Yoga steht in Verbindung mit Meditation, oder ist besser gesagt eine Form von Meditation. Das war mir damals aber nicht klar und so nahm ich die netten Worte hin, die zu den Übungen gesprochen wurden, lächelte mal hier mal da und war ganz zufrieden.


Eines Tages wurde mir jedoch etwas klar: Meine Yoga Lehrerin sagte immer wieder, dass ich dankbar für meinen Körper sein soll, weil er mich überall hinbringt und mich alle Abenteuer erleben lässt. Ich staunte nicht schlecht, als diese Worte irgendwann zu mir durch sickerten. Mein Körper ist nicht ich? Aber, sagte ich zu mir, mein Körper gehört doch mir. Also ist mein Körper doch ich. Oder ... nicht? Darauf musste ich auch ein bisschen rum kauen. Genau wie damals auf den Worten meiner Nachbarin. Irgendwann aber verstand ich: Es musste so sein, denn es fühlte sich wie die Wahrheit an: Ich bin nicht mein Körper! Auch, wenn er zu mir gehört. Aber, fragte ich mich dann. Wenn mein Körper nicht ich ist, sondern nur zu mir gehört, wer bin dann ich?

Ich kam nicht drauf. Gut, überlegte ich. Wenn ich nicht mein Körper bin, was ist dann übrig von mir? Doch nur meine Gedanken. Nur meine Gedanken und meine Gefühle. Ist das nicht das, überlegte ich weiter, was man Seele nennt? Ich erinnere mich noch, wie ich in dem Moment staunend inne gehalten hatte. Ich hatte gestaunt, über die Erkenntnis und gleichzeitig hatte ich gespürt, dass ich da auf eine ganz heiße Spur gekommen war. Ich hatte gespürt, dass ich auf dem Weg war, mir eine Wahrheit zu erschließen, die mir bis dato völlig verschlossen geblieben war.


Zum ersten Mal war mir bewusst geworden, dass es Seelen wirklich gibt. Und, dass ich eine bin! Aber, fragte ich mich gleich als nächstes, was ist mein Körper dann? Nur eine Hülle? Die Hülle für meine Seele? Wie so eine … Maschine? Eine Maschine, mit deren Hilfe ich – so wie meine Yoga Lehrerin sagt – in dieser Welt von A nach B komme und Dinge anfassen und fühlen kann? Macht Sinn. Allerdings, dachte ich dann verbittert, dann hatte ich wohl eine kaputte Maschine erwischt. Denn ich fühlte mich permanent erschöpft und mein Rücken wurde einfach nicht gesund. Vielleicht, überlegte ich, brauche ich mal einen Ölwechsel!

Ja, also das hat dann meine Ernährungsumstellung eingeleitet. Echt wahr! Ich bin jetzt schon mehrere Jahre vegan und ich fühl mich mit diesem Öl echt viel besser.

Aber zurück zum eigentlichen Thema. Durch viel Yoga habe ich dann irgendwann meine Rückenschmerzen ganz gut in den Griff bekommen und durch die Ernährungsumstellung habe ich mich insgesamt besser gefühlt. Emotional aber ging es mir nicht besser. Dennoch ging das Leben weiter.

Ich fing wieder an zu arbeiten, erholte mich in meiner freien Zeit, die neben dem Job und den Kindern übrig blieb und lebte mein Leben. Meinem Jüngeren Ich war ich da noch lange nicht begegnet.

Das Leben plätscherte so vor sich hin. Irgendwann hatte ich die Chance eine Weiterbildung zur systemischen Beraterin zu machen. Ich hatte keine Ahnung, was das genau sein sollte. Ich fand einzig, dass es sich ganz interessant anhört. Ich entschied mich, die Chance zu ergreifen und die Weiterbildung zu machen. Vor allem deshalb, weil die Kosten von meinem Arbeitgeber übernommen werden sollten. Niemals hätte ich so eine Chance abgelehnt. Dafür war ich viel zu arm aufgewachsen!

Die Weiterbildung hat vieles verändert. Sie hat mein Blick verändert. Im Job in der Arbeit mit den Menschen und privat. Der Satz meiner Nachbarin, der immer noch in meinem Kopf herumschwirrte und auf dem ich immer noch herum kaute, näherte sich langsam meinem Verständnis. Kann man das verstehen? Also ich meine, der Satz war auf einmal nicht mehr so völlig außerirdisch! So „hä“ mäßig. Eher wie ein lang gezogenes „mmh.

Also, was ich eigentlich sagen will ist, dass seit meiner ersten „Yoga Erkenntnis“ und der Weiterbildung nach und nach meine Schichten anfingen zu bröckeln. Die Schichten, die sich um mich gelegt hatten, durch all das, was mich geprägt hat: Meine Erziehung, die kulturellen Regeln und Sichtweisen und meine Erfahrungen. Ich fing an, durch die Schichten hindurch sehen zu können. Ich fing an, zu verstehen.

Irgendwann habe ich nicht mehr nur Yoga gemacht, sondern auch angefangen, zu meditieren. Ich konnte den emotionalen Stresse durch gehrende familiäre Konflikte nicht mehr aushalten. Im Zuge dieser Konflikte verlor ich meine Mutter.


Der Schmerz, der dadurch in mir ausgelöst wurde, war mächtig. Es zerriss mir das Herz. Es hatte Auswirkungen auf all meine Lebensbereiche und führte dazu, dass ich mich noch erschöpfter fühlte. Ich merkte, dass es nicht so weitergehen konnte. Ich versuchte einen Therapieplatz zu bekommen, was aber schier unmöglich war. Ich fing also an, andere Wege zu gehen, um mir zu helfen. Das einzige, was mir noch offen stand war zu meditieren. Ich hatte schon vorher mal ab und an meditiert, weil das ja auch irgendwie immer ein Teil dieses Yoga Lifestyles war, aber ernsthaft betrieben hatte ich es nie. Ich hatte irgendwie nie die Ruhe dafür – erkennt ihr den Widerspruch ;-)?

In einer dieser Meditationen bin ich dann meinem jüngeren Ich begegnet. Es war in einer Zen Meditation. Mir kamen die Tränen in der Meditation, weil ich von diesem wunderbaren Kind so berührt war. Dieses Kind war so vollkommen. So vollkommen in seiner Fröhlichkeit, in seiner Leichtigkeit und vor allem so vollkommen in der Liebe zu allem. Alles fand dieses Kind wundervoll. Es erfreute sich an sich im Wind wiegenden Grashalmen, umherfliegenden Insekten, dem Blau des Himmels, der Wärme der Sonne, der Schönheit der Blumen, der geduldigen Steine auf den Wegen, der Ameisen im Gras. Einfach ... an allem!

Ich fühlte das Glück, dass dieses Kind empfand. Ich freute mich so sehr über die Begegnung mit diesem Kind. Diesem so glücklichen Kind, diesem so wunderbarem Wesen, das so voller Liebe war. Während mir die Tränen hinunter liefen, lächelte ich beglückt und spürte, wie ich anfing, eine tiefe Zuneigung für dieses Kind zu empfinden.

Und dann wurde mir klar, dass ich dieses Kind bin! Nein, einmal gewesen war. Ich! Dieses Kind war ich! Ich war einmal so wie dieses Kind! Ich habe geliebt und gelebt in vollkommener Harmonie mit allem um mich herum und voller Inbrunst. Ich war einmal so glücklich gewesen! Was war nur mit mir passiert? Da überfiel mich eine tiefe Trauer. Es tat mir so leid, was diesem Kind passiert ist, dass es zu dem wurde, was ich jetzt bin. Ich hatte so viel verloren.

Nach dieser Erkenntnis konnte ich nicht weiter machen, wie bisher. Ich wollte es auch nicht. Ich wollte wieder ich sein. Ich wollte wieder leben. Richtig leben! Ausgefüllt sein, glücklich sein und das Glück auch wirklich spüren! Ich wollte mehr!


Du bist so wunderschön hatte meine Nachbarin zu mir gesagt.

Ja, das bin ich. Das werde ich wieder sein!

Deine Serena liebe Nina






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